Willkommen in unserer Kirche
Als erste Gottesdienstbesucherin am Sonntagmorgen betrete ich unsere Kirche und setze mich in eine der mittleren Bänke. Mein Blick verweilt auf dem großen Christusfenster im Chorraum, dessen bunte Farben heute Morgen durch das hereinstrahlende Sonnenlicht noch schöner als sonst aussehen. Jesus begrüßt jeden Besucher mit einer einladenden Geste. Der rote Farbton aus seinem Gewand wird in der Kirche in verschiedenen Nuancen aufgenommen. Am besten gefallen sie mir in der Decken- und Wandbemalung als Kontrast zu den Weiß- und Grautönen. Die leuchtend roten Bankpolster und der dunkelrote Teppich strahlen Wärme aus. Schön ist sie geworden – unsere Kirche – nach der Renovierung.
Immer wieder neu
Dass wir eine lebendige Kirchengemeinde sind, zeigt sich u. a. an den Wänden. Dort finden sich Spuren der monatlich stattfindenden Geburtstagsgottesdienste, z. B. eine Karte von Lieme mit den Geburtstagskindern rundherum. Vorne steht das „Geburtstagsschiff“, wo die Geburtstagskinder des vorangegangenen Jahres ihre Namen auf zwölf Segel geschrieben haben. Auch die Namen der Taufkinder finde ich auf kleinen Wimpeln am Schiff. Daneben steht ein Kerzenbaum, auf dem die Friedenskerze gleich im Gottesdienst angezündet wird. Hier werde auch ich nach dem Gottesdienst noch eine Kerze anzünden – ein Grund dazu findet sich immer. Die wohltuende Stille wird jetzt immer wieder von weiteren eintretenden Besuchern unterbrochen. Die Orgel setzt ein, der Gottesdienst beginnt.
Zuerst nur eine Kapelle
In Lieme gab es etwa seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts eine kleine Kapelle, die wegen Baufälligkeit abgerissen und an der gleichen Stelle in den Jahren 1923 – 1925 durch den jetzigen Kirchenbau ersetzt wurde.
Das neue Gebäude hat ein Maß von etwa 15 x 25 m. Es ist in Bruchstein erbaut, versehen mit dem 27 m hohem Kirchturm und Schieferdach. Im Kirchturm sind zwei Glocken. Im oberen Bereich ist eine von weitem her sichtbare Turmuhr eingebaut.
Der Haupteingang zur Kirche befindet sich an der Westseite. Durch zwei Portaltüren gelangt der Besucher in den Kirchraum. An der Nord- und Südseite befinden sich Nebeneingänge.
In der Kirche sind Holzbänke, angeordnet in 4 Reihen. Im rückwärtigen Teil der Kirche befindet sich eine Empore mit weiteren Sitzbänken und die große Orgel. Über die Empore erfolgt der Zugang zum Kirchturm. Hier wird die Uhr zweimal die Woche von Hand aufgezogen. Die Kirche bietet für etwa 400 Personen Platz.
An der Ostseite befindet sich um drei Treppenstufen erhöht der sog. Chorraum. Hier ist auch ein großes Fenster, welches mit dem eindrucksvollen Christusbild verglast ist. Eine Treppe führt zur Kanzel. Davor ist eine Funktionsebene zu finden, zum Beispiel für den Posaunenchor.
Die Kirche ist hell gestrichen, mit einem farblichen Akzent (rote Bordüre). Tragende Stützen, Kirchenbänke mit Fußboden und Empore sind in dunklem Holz gehalten. Roter Teppichboden und Sitzpolster in gleicher Farbe ergeben eine warme Atmosphäre. An den Wänden sind Anzeigetafeln, mit denen die Lieder des Gottesdienstes angezeigt werden. Zu sehen sind an den Wänden auch Aktionsplakate für verschiedene Gottesdienstthemen.
Der Bau der neuen Kirche ist stark durch Spenden unterstützt worden. Hinweise auf Spenden für den Kirchenbau sind vorhanden, zum Beispiel die Angabe von Spendernamen im Fensterglas.
In der Kirche sind noch zwei Steine aus dem Jahre 1726 vorhanden, nämlich der vom damaligen Grafen Simon Henrich Adolph zur Lippe-Biesterfeld und seiner Gemahlin gestiftete Wappenstein und der Gründerstein zum 1. Gottesdienst der eigenständig gewordenen Kirchengemeinde Lieme am 15. Dezember 1726.
Pressetext 1925
Der folgende Pressetext vom 28.11.1925 wurde in einem Haus in Lieme gefunden
und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt:
Lippische Post
Lemgo, Sonnabend, den 28. November 1925
Einweihung der neuen Kirche in Lieme
So wäre es vollbracht! Das, was schon Väter und Großväter erträumt, ersehnt, erwünscht und erhofft hatten, das, was man vor Jahresfrist noch als undurchführbar hielt, ist vollendete Tatsache geworden. Lieme hat eine neue Kirche!
Die Gemeinde Lieme gehört mit zu den ältesten im Lande. Schon vor der Reformation besaß Lieme eine Kapelle, in welcher der im Jahre 1528 aus Lemgo vertrieben Priester Piderit, weil er an der kath. Lehre festhielt, längere Zeit noch die kath. Messe las. Bis zum Jahre 1726 wurde Lieme von Lemgo aus verwaltet. Die kirchlichen Handlungen fanden in der kleinen Kapelle statt. Graf Simon, Heinrich, Adolf ließ im Jahre 1726, als Lieme eine selbständige Gemeinde wurde, die Kapelle durch leichtes Fachwerk zu einer kleinen Kirche erweitern. Ein heute noch vorhandener, in der Kirche eingemauerter Stein trägt das Wappen des damaligen Grafen, sowie den Namen des ersten Predigers Adam Konrad Köller und den Text seiner Antrittspredigt: Jes. 6, 5-8. Gerade 200 Jahre sind seit der Zeit verflossen. 16 Prediger haben nacheinander in dem alten kleinen Kirchlein Gottes Wort verkündigt. Da es manchen interessieren dürfte, ihre Namen zu erfahren, seien sie hier angeführt:
Adam Conrad Köller 1726 – 1750, August Luther Führing 1751 – 1762, Friedrich Emil August Streicher 1762 – 1772, Johann Daniel Jenin 1772 – 1777, Johann Ernst Adolf Stivarius 1777 – 1802, Friedrich Karl Benjamin Stivarius 1802 – 1811, Ludwig Reuter 1812 – 1820, Dr. Johann Friedrich Wilhelm Pustkuchen 1820 – 1827, Friedrich Eberhard Krecke 1827 – 1854, Karl Mörs 1854 – 1858, Gustav Schmidt 1858 – 1866, Hermann Wolf 1866 – 1871, Karl Cronemeier 1871 bis 1885, Georg Friedrich Wilhelm Deppe 1886 – 1889, Johannes Schmidt 1889 – 1901, Alexander Hossius seit 1901.
Im Zeitenlaufe der Jahrhunderte war das Kirchlein so baufällig geworden, dass an eine Erneuerung gedacht werden musste. Schon in den 80er Jahren fing man an, einen Baufonds zu sammeln, der bis zum Jahre 1914 die ansehnliche Höhe von 35.000 Goldmark erreicht hatte. Jetzt sollte mit dem Kirchbau begonnen werden. Da kam der Krieg. Wie durch ihn so viele schöne Träume und Hoffnungen zerschlagen wurden, so auch diese. Das Vaterland rief und die Gemeinde zeichnete die 35.000 Mark als Kriegsanleihe, hoffend, das Geld so am besten und sichersten angelegt zu haben. Es kam leider anders als man hoffte.
Der immer ärger werdende Verfall des alten auch viel zu kleinen Kirchleins gestattete keinen Aufschub mehr und man fasste im Jahre 1923 den Entschluss, nunmehr ernstlich an den Bau einer neuen Kirche zu denken.
Wenn man in Lieme von dem Grundsatze: „Erst die Kirche, dann den Turm“ abwich, so hat das seinen besonderen Grund. Wie fast alle Kirchen, so musste auch Lieme während des großen Völkerringens eine Glocke dem Vaterlande opfern. Ein kleines Glöcklein blieb zurück, das nun in aller Stille mit leisem, klingendem Schalle am Sonntag die Gemeinde zur Kirche rief. Ein geborener Liemer, Herr Rieke, jetzt Ziegeleibesitzer im Rheinlande, beschloss, durch den wehmütigen Glockenruf seiner Heimatkirche gerührt, zum Andenken an seine beiden auf dem Felde der Ehre gefallenen Söhne, der Gemeinde Lieme eine Glocke zu schenken. Da der Turm der alten Kirche jedoch zu altersschwach war, die neue Glocke zu tragen, so musste sie neben die Kirche gehängt werden. Ein wunderbarer tragischer Anblick! Hätte die Glocke es vermocht, würde sie sich gewehrt haben, dort und so aufgehängt zu werden. Dasselbe Empfinden hatte der Stifter der Glocke und er bot der Gemeinde eine zweite zu der ersteren passende Glocke zum Geschenk an, wenn sie einen Turm bauen wolle, wo die Glocken Platz finden könnten. Um in den Genuss dieses Anerbietens zu gelangen und um die erste Glocke von ihrem Galgen zu befreien, entschloss sich die Gemeinde zum Turmbau, dem die Kirche folgen sollte. Große Opfer der Gemeindeglieder und einiger Freunde waren nötig, um dieses Werk zu vollenden. Im Herbst 1923 war der Turm mit viel Mühe und Sorgen fertig gestellt. An die Kirche wurde schon gar nicht mehr gedacht, denn inzwischen waren die wirtschaftlichen Verhältnisse so verworren geworden, dass keiner mehr von dem einen Tage zum anderen rechnen konnte. Der Turm mit seiner infolge der Verhältnisse etwas zu stumpf gebliebenen Spitze ist Zeuge jener uns unvergesslichen wirtschaftlichen Not. Einsam und verwaist stand neben dem kleinen Kirchlein, ein ergreifendes Bild, bis zum Jahre 1925, als man den Entschluss fasste, die Kirche nun mehr folgen zu lassen. Wohl selten ist ein Beschluss von solcher Tragweite so einmütig gefasst, wohl selten hat sich in einer Gemeinde beim Bau eines öffentlichen Gebäudes eine solche Einigkeit gezeigt, wie bei dem Kirchbau in Lieme. Alle, ohne Unterschied des Standes und der Partei wollten helfen, jeder an seinem Teile. Am Sonntag, 22. Februar fand der letzte Gottesdienst im alten Kirchlein statt. Schon vor Beginn war sie weit überfüllt. Manches Auge wurde feucht, als die letzte Predigt erklang. Galt es doch, Abschied zu nehmen von einer Stätte, an die sich so viele Erinnerungen knüpften, in welcher Ahnen und Urahnen dem Worte Gottes gelauscht hatten. Am folgenden Sonntage war das alte traute Kirchlein vom Erdboden verschwunden. Arbeitslose Gemeindeglieder hatten freiwillig unentgeltlich den Abbruch übernommen, andere machten die erforderlichen Ausschachtungsarbeiten. Die heimischen Landwirte und Fuhrleute verpflichteten sich zu kostenloser Anfuhr des Baumaterials. Eine sofort eingeleitete Haussammlung in der etwa 1.300 Seelen zählenden Gemeinde ergab den schönen Betrag von 12.000 Mark. Die Anfertigung der Pläne und die Bauleitung lag in den Händen eines Liemer Kindes, des jetzigen Architekten Herrn Fr. Brüning, Schötmar. Die Maurerarbeiten wurden dem Bauunternehmer Heumann in Hagen übertragen. Sofort ging es an die Arbeit. Schon am 5. April konnte die feierliche Grundsteinlegung erfolgen, der schon am 13. Juni die Richtung des Daches folgen konnte. Die Zimmererarbeiten wurden von dem Zimmermeister Rhiemeier in Rhiene ausgeführt. Für eine einwandfreie, saubere Schieferbedachung sorgten Gebrüder Hesse, Detmold. Das Gestühl und die Treppen wurden in den Werkstätten der Herren Tischlerm. Rieke und Korf, hierselbst, hergestellt. Durch Anfertigung der schweren eichenen Außentüren zeigte Herr Zimmermeister Adam, dass er es versteht, wirklich peinlich saubere Arbeit zu leisten. Die schwere Haupteingangstür ist von einem hier wohnhaften Liemer geschnitzt. Alle Handwerker haben ihre ganze Kraft und ihr bestes Können in den Dienst der Sache gestellt, um wirkliche Qualitätsarbeit zu liefern. Dieses ist umso mehr zu begrüßen, als es galt, überall größte Sparsamkeit walten zu lassen. Anerkennung und Dank der ganzen Gemeinde ist ihnen gewiss.
Ein besonders schweres Kapitel war die innere Gestaltung des Raumes. Je mehr Rechnungen einliefen, desto größer schrieb man das Wort: „Sparen!“ An eine Kirchenausmalung war nicht zu denken und dürfte wahrscheinlich auch späteren Geschlechtern vorbehalten sein. Wenn es trotzdem gelungen ist, dem Innern ein anheimelndes, stimmungsvolles Kleid zu geben, so gebühren hierfür dem Architekten, Herrn Brüning, sowie den hiesigen Tischlermeistern, Herrn Schlüter, Kuhlmann, Steinheider und Schäfer besondere Anerkennung. Gern hätten Architekt und Meister beim Bau und der inneren Ausstattung so recht aus dem Vollen geschöpft, aber immer wieder hörten sie vom Bauausschuss: „Wir hätten das ganz gern, aber es fehlen uns die Mittel.“ Man muss sich überhaupt wundern, dass es möglich gewesen ist, bei der katastrophalen Geldknappheit einen solchen Bau zu errichten. Solches war aber auch nur möglich bei der herrlichen Einmütigkeit und großen Opferwilligkeit der Gemeinde sowie vieler Freunde der Sache auswärtswohnender Liemer Kinder, die durch Gelspenden oder gestiftete Gegenstände den Bau fördern und vollenden halfen. Ein Verkauf von Bausteinen durch die Herren Pfarrer in und außerhalb Lippes erbrachten den schönen Betrag von rund 12.000 Mark, eine weitere Sammlung in der Gemeinde abermals 10.000 Mark. Aber immer fehlen noch etwas 20.000 Mark. Doch auch diese Restsumme wird einkommen; denn wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Oben genannte Summe wäre noch bedeutend größer, wenn nicht so zahlreiche Gegenstände gestiftet wären. Mangel an Raum verbietet, alle anzuführen. Erwähnt sei nur das herrliche künstlerisch vollendet Chorfenster, das von einem geborenen Liemer bei der Firma Puhl-Wagener, Berlin, in Auftrag gegeben war. Desgleichen wurden die übrigen 10 bunten Fenster, hergestellt von der Firma Bastian, Detmold, geschenkt. Jedes Kirchenvorstandsmitglied übernahm bereitwilligst ein weiteres Fenster. Eine schöne, einfach gehaltene … Kanzel wurde in der Kunsttischlerei Wehrmann zu Wierborn angefertigt und von den lippischen Pastoren geschenkt. Von der alten Kirche wurde nur Altar und Orgel in die neue übernommen. Letztere erwies sich jedoch für die neue Kirche als zu klein und wurde in der Orgelbauanstalt Klaßmeier-Kirchheide durch einige vollklingende Register erweitert. Wenngleich der Orgelkörper im Verhältnis zu dem Innenraum der Kirche etwas klein erscheint, so bietet die Orgel doch in ihrem frischen anmutigen farbenprächtigen Kleide einen schönen Anblick und ist nicht … zur … der Kirche wesentlich …
So ist der Bau vollendet. Dank allen denen, die daran arbeiteten, Dank allen, die durch finanzielle und andere Spenden halfen, der Gemeinde Lieme ein neues schönes, würdiges Gotteshaus zu errichten.
Am kommenden Sonntag soll nun die feierliche Weihe sein und die Kirche ihrer Bestimmung übergeben werden. Vormittags 10 Uhr wird Herr Generalsuperintendent D. Wessel die Weihe vollziehen. Herr Pastor Hossius hierselbst wird dann die erste Predigt halten. Schüler und Kirchenchor werden passende Lieder vortragen. Nachmittags 4 Uhr findet ein zweiter Gottesdienst statt, in welchem Herr Superintendent Doth die Festpredigt halten wird. Am Schluss jedes Gottesdienstes wird eine Kollekte für den Kirchenbau erhoben.
Möge der stolze, aus Sandsteinquadern festgefügte Bau, in schwerster wirtschaftlicher Not errichtet, jetzigen und kommenden Generationen sagen, was eine Gemeinde vermag, wenn in ihr Einmütigkeit herrscht, wenn alle Glieder von dem einen Willen beseelt sind, ein Werk zu vollenden! Möge die neue Kirche eine Stätte reiner Freude, der Erbauung und des Trostes werden, möge Gottes reicher Segen von ihr auf alle Gemeindeglieder ausströmen!